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Hansedom Stralsund (Uwe Deyle)

Presse Hansedom Stralsund (Betrieb: Uwe Deyle, Stuttgart)


Pforzheimer Zeitung 06.12.2003

"Wenn etwas überflüssig ist, dann stirbt es ab"

STRALSUND/PFORZHEIM.

Mit Spannung blickt die Finanzwelt am Donnerstag auf die Provinz im Norden der Republik. Die 43 Mitglieder der Bürgerschaft Stralsund sollen über den Sparkassen-Verkauf entscheiden.

Der Stralsunder Oberbürgermeister Harald Lastovka (CDU) hat für Furore in der gesamten deutschen Sparkassenfamilie gesorgt. Der Verwaltungsrat der Sparkasse der Hansestadt Stralsund (SHS) will das Institut an einen privaten Investor verhöckern, etwa eine Privatbank. Mit dem Erlös will das eigenwillige Stadtoberhaupt die Sanierung von Schulen und Kindergärten finanzieren.

Ein Verkauf der SHS wäre ein bisher einmaliger Vorgang in der deutschen öffentlich-rechtlichen Finanzgeschichte, gleichsam "von historischer Dimension", wie Lastovka einräumte. Damit kratzt er an der bislang fest verankerten Drei-Säulen-Struktur, die aus öffentlich-rechtlichen (Sparkassen) und genossenschaftlichen Instituten (Volks- und Raiffeisenbanken) sowie Privatbanken besteht. Mit diesem Aufbrechen hätte das Stralsunder Stadtoberhaupt einen Präzedenzfall geschaffen und damit eine Initialzündung ausgelöst, die auch den Süden der Sparkassen-Republik ins Wanken bringen könnte. Der CDU-Mann hat außerdem mit seinem Vorpreschen prominente Fürsprecher. Zum Beispiel Finanzstaatssekretär Caio Koch-Weser: Diesem sind die traditionellen Strukturen längst ein Dorn im Auge. Er sprach sich für eine Reorganisation des gesamten Bankensektors aus.

Unlängst hat sich der Vorstandsvorsitzende der "Sparkasse Pforzheim Calw", Wolfgang Daum, im PZ-Gespräch vehement gegen die Zerschlagung der Drei-Säulen-Struktur ausgesprochen. Daum kann sich zwar mit den genossenschaftlichen Wettbewerbern Kooperationen im so genannten Back-Office-Bereich vorstellen, nicht aber Fusionen, und erst recht nicht mit Privatbanken, machte er gegenüber der PZ deutlich. Und nicht zuletzt warnte Daum davor, dass der Verbraucher mit höheren Kosten belastet würde, gäbe es öffentlich-rechtliche und genossenschaftliche Institute nicht mehr in ihrer bisherigen Form.

IWF: Zu viele kleine Banken

Unterdessen wurde unlängst eine Studie des Internationalen Währungsfonds (IWF) bekannt, in der sich der IWF für Fusionen deutscher Sparkassen mit Privatbanken ausgesprochen hat. "Derzeit sind zu viele kleine Banken auf dem deutschen Markt." Der IWF kritisierte das in Deutschland herrschende Verbot von Fusionen öffentlich-rechtlicher Banken mit Privatinstituten, das von den Sparkassengesetzen der Bundesländer verboten wird. Der 57-seitige Bericht sorgte für einen Sturm der Sparkassen. Bundesregierung und Deutsche Bundesbank hätten daraufhin den IWF aufgefordert, das Papier wegen angeblicher handwerklicher Mängel zu überarbeiten und zu entschärfen, meldete die "netzeitung".

Ähnlich ist der Aufstand gegen die Pläne des Stralsunder Oberbürgermeisters. Kritik hagelte es sowohl vom Sparkassenverband wie auch von Stralsunder Bürger-Vertretern. Der Sprecher der unabhängigen Wählergemeinschaft Forum Kommunalpolitik Stralsund, Jürgen Suhr, hält einen Verkauf für falsch. Grund: "Anders als andere Banken bietet die Sparkasse ein dichtes Netz von Filialen", ein Service, den viele Bürger schätzen würden.

Rechtliche Hürden

Im Übrigen sieht Suhr rechtliche Hürden für ein Abstoßen des öffentlich-rechtlichen Instituts. "Das Sparkassengesetz ist hier eindeutig. Sowohl Paragraf eins des Sparkassengesetzes, in dem die Rechtsnatur der Sparkassen als Anstalten des öffentlichen Rechts eindeutig definiert ist, wie auch der Paragraf zwei, der den öffentlichen Auftrag der Sparkassen beschreibt, lassen keine andere Interpretation zu", meint der Kommunalpolitiker.

Anders der verkaufslustige Oberbürgermeister. Er beruft sich auf ein Gutachten der Kanzlei Hengeler Müller und auf die Investmentbank Lazard. Beide erklären Lastovkas Pläne für machbar. Während er die Sparkasse als durchaus gesundes Haus bezeichnete, vermutet der Sprecher der Wählergemeinschaft Forum Kommunalpolitik hinter den Verkaufsgelüsten finanzielle Probleme: "Hintergrund ist nach unseren Informationen die angespannte wirtschaftliche Situation des Kreditinstitutes, die vor allem durch Wertberichtigungen in Millionenhöhe - Risiken aus dem Kreditgeschäft, unter anderem Hansedom und Tourisline - bedingt ist." In diesem Zusammenhang stehe auch die Abberufung des Vorstandsvorsitzenden der Sparkasse Stralsund, Winfried Burke, vermutet die Wählergemeinschaft.

Lastovka siegessicher

Nach eigenen Angaben verfügt die SHS über ein Eigenkapital von 22 Millionen Euro, die Bilanzsumme wird mit 550 Millionen Euro im Jahr 2002 angegeben. Das Institut beschäftigt rund 160 Mitarbeiter. Auch sie warten gespannt auf das Ergebnis der Sitzung am kommenden Donnerstag. Lastovka äußerte sich gegenüber dem "Handelsblatt" siegessicher und bemühte folgenden Vergleich: "Wenn etwas überflüssig ist in der Natur, dann stirbt es ab."

Gerd Lach


Presse Hansedom Stralsund