Tropenbad Waikiki Zeulenroda
Frankenpost 28.07.1999
Affäre um das Zeulenrodaer Tropen-Erlebnisbad zieht weitere Kreise: Stadt und Betreiber im Streit
Seit einem Jahr keine Miete mehr fürs "Waikiki" bezahlt
Von Rainer Maier
In der Affäre um das Tropen-Erlebnisbad "Waikiki" im thüringischen Zeulenroda haben sich die früheren Partner offenbar stärker entzweit als bisher bekannt. Die städtische Eigentümergesellschaft des 37-Millionen-Mark-Projekts hat seit Juni 1998 von der Betreibergesellschaft BWZ keine reguläre Miete mehr bekommen. Wie berichtet, steht die BWZ-Geschäftsführerin Claudia André im Verdacht, "Waikiki"-Gewinne in betrügerischer Weise in die Schweiz zu transferieren. Auch gegen Zeulenrodas Bürgermeister Frank Steinwachs wird ermittelt.
ZEULENRODA. - Wie unserer Zeitung jetzt bekannt wurde, hat die Betriebsgesellschaft Wasserfreizeitanlage Zeulenroda mbH (BWZ) die Mietzahlungen an die städtische Eigentümergesellschaft WFZ bereits im Juni 1998 eingestellt. Als monatliche Miete für das aufwendigste Spaßbad weit und breit waren zu jener Zeit 150000 Mark vereinbart. Bei 13 Monaten Außenständen hat die WFZ also ein Loch von 1,95 Millionen Mark in der Kasse. Die Miete der Betreibergesellschaft ist die einzige nennenswerte Einnahmequelle der Wasserfreizeit der Stadt Zeulenroda GmbH (WFZ), deren Geschäftsführer der Bürgermeister der thüringischen 15000-Einwohner-Stadt, Frank Steinwachs (CDU), ist.
Wie berichtet, läuft gegen Steinwachs derzeit ein Ermittlungsverfahren der auf Wirtschaftsstrafsachen spezialisierten Staatsanwaltschaft in Mühlhausen. Der Verdacht: Untreue und Subventionsbetrug. Unter dem Aktenzeichen "355 Js 50798/98" wird auch gegen die Geschäftsführerin der BWZ, Claudia André, und deren Mann Rolf ermittelt. Das mittlerweile in der Schweiz lebende Paar soll, so der Verdacht, durch ein verwirrendes Geflecht von Firmen und Verträgen dafür sorgen, daß die "Waikiki"-Gewinne auf den Konten von ihnen gegründeter Scheinfirmen am Luganer See landen. Stattdessen müßten die Überschüsse aber in die Fremdenverkehrs-Infrastruktur der Region investiert werden. Das hatte das thüringische Wirtschaftsministerium zur Voraussetzung einer 15-Millionen- Mark-Förderung gemacht.
Der Verdacht, daß Bürgermeister Steinwachs der BWZ anfänglich mehr entgegengekommen ist, als rechtlich zulässig gewesen wäre, verdichtet sich inzwischen weiter. So wurde - wie aus Unterlagen hervorgeht, die unserer Zeitung vorliegen - die Sicherheitsleistung von der BWZ nie bezahlt. Diese Leistung, eine Art Mietkaution für das Bad, war am 25. März 1996 im Geschäftsbesorgungsvertrag der WFZ mit der BWZ auf 500000 Mark festgesetzt worden. So war der Vertrag auch dem Wirtschaftsministerium in Erfurt zur Kenntnis gegeben worden, wie der Pressereferent des Ministeriums, Andreas Maruschke, auf Anfrage bestätigte.
Danach wurde jedoch in einer Ergänzungsvereinbarung zwischen Steinwachs und André am 27. Juni 1997, drei Tage vor der "Waikiki"-Eröffnung, festgelegt, daß bei Nichtzahlung der Sicherheitsleistung lediglich eine Vertragsstrafe in Höhe von 50000 Mark fällig wird. Aber nicht einmal dieses Strafgeld ist, ausweislich der WFZ-Bilanzen, bei der städtischen Firma eingegangen.
Kosten getragen
Dafür hatte die WFZ erhebliche Ausgaben, die eigentlich Angelegenheit der BWZ gewesen wären. So bezahlte die von Steinwachs geführte Firma für die Eröffnungsveranstaltung des "Waikiki": 397712 Mark schlugen hier 1997 zu Buche.
Außerdem gab die WFZ, deren Sache lediglich der Bau des Spaßbades gewesen wäre, für Werbekosten 1996/97 insgesamt 208562 Mark, für Funk- und Fernsehwerbung im Jahr 1997 43696 Mark sowie für Konzerte und Veranstaltungen im gleichen Jahr 99050 Mark aus. Der Betreibergesellschaft hatte die WFZ jedoch einen Kredit in Höhe von 789729 Mark eingeräumt, mit dem diese die Vorlauf-Kosten bis zur Eröffnung hätte bestreiten sollen. Dieser Kredit, den die WFZ aus ihrerseits aufgenommenen Geldern weiterreichte, sorgt bei Kommunalrechtlern in Thüringen für Kopfschütteln.
Rente vereinbart
All diese zumindest ungewöhnlichen Verfahrensweisen könnte - auch deswegen ermittelt der Staatsanwalt - Frank Steinwachs deshalb gutgeheißen oder mitbefördert haben, weil er einen von Claudia André unterschriebenen Blanco- Vertrag in der Schublade hatte, der ihn mit einem einzigen Federstrich zum "Waikiki"-Geschäftsführer mit 190000- Mark-Jahresgehalt und Dienstwagen gemacht hätte (wir berichteten).
Der auf Zukunftssicherung bedachte Bürgermeister hat sich zusätzlich in seinem Geschäftsführeranstellungsvertrag vom 30. Dezember 1995 bei der WFZ eine monatliche Pension von 1000 Mark vereinbart, für die die städtische Firma eigens eine Rückdeckungsversicherung bei der Allianz abschließen mußte.
Während dieses finanzielle Ruhekissen in den Bilanzen der WFZ verankert ist, taucht eine 1996 beschlossene Erhöhung der Stammeinlage der GmbH im Folgejahr nicht auf. Wegen des Jahresfehlbetrags von 265374 Mark hatte man in der WFZ beschlossen, das Stammkapital der GmbH von 100000 auf 500000 Mark zu erhöhen. Nach Auskunft des Registergerichts Gera ist bis heute aber eine Stammeinlage von 100000 Mark eingetragen. Der WFZ- Fehlbetrag 1997 betrug dann schon 993612 Mark (die 98er Bilanz liegt noch nicht vor).
Und: Es kommt kaum Geld rein bei der WFZ. Seit Juni 1998 zahlt die BWZ die Miete nicht mehr. Man ist - wie uns BWZ- Anwalt Dr. Max Kirste bestätigt hat - uneinig über die Höhe der monatlich fälligen Beträge.
Im Geschäftsbesorgungsvertrag vom 25. März 1996 wurde - da die genaue Höhe der Kosten der WFZ angeblich noch nicht zu definieren war - zunächst ein monatliches Entgelt von 100000 Mark vereinbart. Dies sollte, so heißt es in einem Brief des Berliner Juristen Kirste weiter, später an die tatsächlichen Verhältnisse angepaßt werden. Die Betreiber sollten der Anlagen-Eigentümerin so viel zahlen, daß die WFZ ihren Verpflichtungen vollständig und rechtzeitig nachkommen kann.
Schon bald forderte die WFZ - wie die unserer Zeitung vorliegenden Unterlagen weiter zeigen - die BWZ auf, den Betrag auf 150000 Mark monatlich zu erhöhen, weil die bei ihr anfallenden Kosten diese Summe erreichen würden. Die BWZ zahlte, forderte aber die vertraglich zugesicherten Belege. Als die WFZ dieser Forderung nicht nachkam, ja nicht einmal auf Schreiben der BWZ in der Sache antwortete, setzte die BWZ die Zahlung aus.
Jetzt läuft ein Schiedsgerichtsverfahren zur Klärung dieser Frage. Seit Beginn dieses Verfahrens hat aber auch Frank Steinwachs keinen Einblick mehr in die Geschäfte der BWZ. Die Stadt Zeulenroda sollte nämlich - über die WFZ - als Controller für die Betreibergesellschaft fungieren. Jede Ausgabe über 20000 Mark hätte dem Bürgermeister zur Kenntnis gebracht werden müssen. Seit Beginn des Schiedsgerichtsverfahrens schaltet und waltet die BWZ - deren unorthodoxe Verflechtungen mit der Schweizer André-Firma Aqua Planet die Staatsanwaltschaft momentan zu entwirren versucht - nun ohne Controlling.
Konfrontationskurs
BWZ-Anwalt Kirste spricht von einem "Konfrontationskurs", den die WFZ unter Frank Steinwachs gegen die Betreibergesellschaft steuern würde. Er bestätigte unserer Zeitung, daß die WFZ im Juni 1998 den Geschäftsbesorgungsvertrag mit der André-Firma offiziell gekündigt hat. Auch dies ist Gegenstand des Schiedsgerichtsverfahrens. Seit diesem Zerwürfnis sind die Mietzahlungen eingestellt, die BWZ überweist Kirste zufolge lediglich Abschläge an die Eigentümerfirma.
In einem Brief des Anwalts heißt es weiter, die BWZ habe bis Juni 1998 keine Kenntnis vom Inhalt des Zuwendungsbescheids über die 15-Millionen-Mark-Förderung aus Erfurt gehabt. Darin ist unter anderem festgeschrieben, daß die Einnahmen aus dem Betrieb des Freizeitbades für den Zeitraum der Zweckbindungsfrist - 15 Jahre - zu keinem Gewinn führen dürfen. Überschüsse müßten uneingeschränkt den Nutzern der öffentlichen Fremdenverkehrseinrichtungen zu Gute kommen.
Obwohl der Zuwendungsbescheid aus Erfurt als "Anlage 5" Bestandteil des Geschäftsbesorgungsvertrages war, behauptet die BWZ, von solchen Bedingungen nichts gewußt zu haben. Anwalt Kirste: "In Anbetracht der Tatsache, daß unsere Mandantin nicht Zuwendungsempfängerin ist und den Zuwendungsbescheid im übrigen auch nicht kannte, treten wir der Behauptung entgegen, unsere Mandantin könnte Fördermittel zweckwidrig verwendet haben."
Ministeriumssprecher Andreas Maruschke sieht das ganz anders. Er verweist auf einen glasklaren Passus im Bewilligungsbescheid: "Die Übertragung der genannten Anlagen an die Betreiber kann innerhalb der Zweckbindungsfrist erfolgen, wenn die Erfüllung des Zuwendungszweckes, insbesondere die Weiterleitung des Fördervorteiles, gewährleistet bleibt. Die Pflichten des Zuwendungsempfängers aus dem Zuwendungsverhältnis bleiben unberührt." Die WFZ müsse jetzt in einer Verwendungsnachweiskontrolle zeigen, daß die Förderbestimmungen eingehalten werden.
Derzeit prüft das Staatsbauamt Gera - routinemäßig fünf Jahre nach der Mittelvergabe - diesen Verwendungsnachweis der Zeulenrodaer WFZ. Im Wirtschaftsministerium warte man gespannt auf diese Endabrechnung, sagt Maruschke. Seien mit dem "Waikiki" Gewinne erzielt worden, die nicht - wie vorgeschrieben - in die Anlage oder zugunsten der Nutzer wieder investiert worden seien, werde sich das Ministerium überlegen, zumindest Teile der 15 Millionen Mark zurückzu fordern.
Für BWZ-Anwalt Dr. Kirste ist das ein Problem, das nur die WFZ und ihren Chef Frank Steinwachs betrifft. "Was sind Gewinne? Das ist bei einer so langen Laufzeit juristisch unglaublich schwer einzuschätzen." Kirste vermutet, daß man auf Seiten der WFZ mit der Kündigung des Betreibervertrages versuchen wollte, einen möglichen Subventionsbetrug zu kaschieren.
Druck aus Erfurt
Inzwischen habe die Staatsanwaltschaft Mühlhausen die kompletten Akten aus dem laufenden Schiedsgerichtsverfahren angefordert und erhalten. Kirste: "Das ist uns sehr recht." Er hoffe, so komme schneller Klarheit in die Angelegenheit.
Der Druck auf die Stadt Zeulenroda und ihren Bürgermeister wächst. Bereits nach dem ersten Bekanntwerden von "möglichen Unregelmäßigkeiten" habe das Wirtschaftsministerium im Juni 1998 Vertreter der Stadt nach Erfurt einbestellt, teilte Pressereferent Maruschke mit. "Bringt das in Ordnung!" habe man unmißverständlich gefordert. "Die Stadt ist auch aktiv geworden", sagt Maruschke: Am 13. Juni 1998 habe - nach Kenntnis des Ministeriums - die WFZ die Verträge mit der BWZ gekündigt. Rechtskräftig wird die Kündigung allerdings erst nach einer entsprechenden Entscheidung des Schiedsgerichts.
Zwar, sagt Marusche, müsse sich "die Stadt in ihrem Gesamt-Finanzgebaren nicht uns gegenüber verantworten". Doch der kommunalrechtlichen Prüfung müßten die von Steinwachs geschlossenen Verträge schon standhalten.
Kommunalaufsicht
Wie berichtet, untersucht auch die oberste thüringische Kommunalaufsichtsbehörde, das Landesverwaltungsamt in Weimar, derzeit die "Waikiki"- Affäre. Maruschke macht hier Druck, auch aufs zuständige Landratsamt in Greiz und dessen Chefin Martina Schweinsburg (CDU): "Die Kommunalaufsicht muß schnellstmöglich handeln", fordert der Ministeriumssprecher.
Das "Waikiki" werde weiterlaufen. "Davon gehe ich aus", sagt Andreas Maruschke. In dem im weiten Umkreis beliebten Freizeitbad hatte man in diesen Tagen, nur knapp zwei Jahre nach der Eröffnung, die millionste Besucherin begrüßt. In Erfurt hofft man nach Auskunft des Ministeriumssprechers, daß man in Zeulenroda möglichst bald zu "vernünftigeren Konstellationen" finden werde.
In der ersten Sitzung des neugewählten Stadtrats von Zeulenroda vor einigen Tagen bemühten sich mehrere Redner um eine "Versachlichung" des Themas. WFZ-Aufsichtsratsvorsitzender und CDU-Stadtrat Dr. Klaus Freund redete seinen Kollegen ins Gewissen und riet zur Vorsicht: "Da der Stadtrat das letztendlich kontrollierende Organ gegenüber Aufsichtsrat und Geschäftsführer ist, sollte er sich darüber im Klaren sein, daß die erhobenen Anschuldigungen auch ihn betreffen."
Im ebenfalls neu gewählten Greizer Kreistag scheint die "Waikiki"-Affäre kein Grund zu Mißtrauensäußerungen gegenüber Frank Steinwachs zu sein: Der Zeulenrodaer Bürgermeister wurde auf Vorschlag seiner Fraktion erneut in den Verwaltungsrat der Sparkasse Gera-Greiz gewählt.