Bodensee-Therme Überlingen
Südkurier 01.07.2000
Die Kraft der Argumente
FWV setzt bei Therme-Diskussion auf Sachlichkeit und die Vernunft
Überlingen
(hpw) Auf Aufklärung und die Kraft der Argumente setzt die Freie Wählervereinigung bei ihrer Überzeugungsarbeit an den Bürgern zugunsten der Bodenseetherme. Doch Eberhard Proß, der sein einführendes Referat und die Auseinandersetzung mit der Therme unter den Titel "Sinkende Wahlbeteiligung - mehr Bürgerbeteiligung. Was stimmt nicht in unserer Demokratie?" stellte, zeigte sich skeptisch.
Die Tatsache, dass die Diskussionsveranstaltung im "Ochsen" nur von gut 20 Bürgern - darunter überwiegend FWV-Mitglieder - besucht war, führte er darauf zurück, dass "die Gegner Argumente nicht hören wollen". Stattdessen würden in den neuesten Flugblättern die "Ängste der Bürger künstlich geweckt und hochgeputscht". So befürchtet Proß durch die Bürgerinitiative eine weitere Entfremdung zwischen Mandatsträgern und Bürgern.
Stattdessen forderte der FWV-Sprecher für eine gesunde Demokratie, Vertrauen und kritische Begleitung. Angst sei auch bei der geplanten Bodensee-Therme ein schlechter Ratgeber. Um im Wettbewerb des Fremdenverkehrs bestehen zu können und einen Beitrag zur gemeinsamen Destination Bodensee zu leisten, bedürfe es eines "disziplinierten Mutes zum kalkulierten Risiko." Dass sich dieses einzugehen lohne, hätten drei Gutachten unabhängig voneinander gezeigt.
Akribisch arbeitete Eberhard Proß die Einwände der Therme-Gegner ab und versuchte sie zu entkräften. Gerade das vorgelegte Konzept sei das einzige, das Wirtschaftlichkeit und Finanzierbarkeit mit den Wünschen nach einem Sportbad verbinden lasse. Auf der einen Seite wolle der Verein "Bürgersinn" gerade auf jene Bereiche verzichten, die von Bad Dürrheim bis Saulgau boomten und selbst Besucher aus der Schweiz in Scharen anlockten. Auf der anderen Seite werde gefragt, ob der Spaßbereich - den man gar nicht wolle - für Familien überhaupt bezahlbar sei.
Einig seien sich alle Fachleute gewesen, dass der geplante Standort Westbad auch der einzig richtige sei. Bis heute hätten die Gegner als Alternative keinen aus ihrer Sicht "machbaren Standort ernsthaft vorgeschlagen." Dagegen spreche alles dafür, die Therme am See und in Stadtnähe zu bauen und nicht auf der "grünen Wiese." Auch als "weicher Standortfaktor" für den Wirtschaftsraum und die Attraktivität der Arbeitsplätze spiele die geplante Therme eine wichtige Rolle, sagte Proß: "Bei High-Tech-Arbeitsplätzen geht es nicht mehr um die Höhe des Gehalts, sondern um die Qualität der Infrastruktur, die eine Stadt zu bieten hat."
Auf die psychologische Wirkung eines "Nein" machte Proß ebenfalls aufmerksam. Da hätten sich nun tatsächlich die Minister Döring und Müller gemeinsam "ins Zeug gelegt", dass Überlingen diesen beträchtlichen Zuschuss bekomme. Nun zu sagen "Wir wollen das Geld gar nicht" wirke auf die Politiker für die Zukunft nicht gerade motivierend.
"Das ist doch nur für Gschäftlesmacher," erklärte Zuhörer Hermann Schmid zum Auftakt der Diskussion. Kritik übte er auch am Termin des Bürgerentscheids. "Das muss doch nicht so durchgepeitscht werden", sagte er. Dass die Stadt deshalb gar eine Sondernummer 24a ihres Amtsblattes herausgeben musste, reihte Schmid unter die Rubrik "Rarität" ein. Als "optische Täuschung, die die Therme hinter hypothetischen Haselnuss-Sträuchern verschwinden lässt" bezeichnete er die Animationsgrafik in der Informationsbroschüre der Stadtverwaltung.
Den Bürger zu befragen, bevor konkrete Planungsvorstellungen existierten, wäre aus Sicht von Eberhard Proß indessen zum einen unseriös gewesen, zum anderen habe die Stadt schon bei den ersten Überlegungen zur Bodenseetherme an diesem Standort eine Bürgerversammlung veranstaltet und über die Pläne informiert.
"Das Theater um die Therme ist fast eigenartig" fand der Sipplinger Architekt und Städteplaner Hannes Schuldt und mutmaßte, dass Überlingen "Angst vor sich selbst habe". Offensichtlich seien den Überlingern jene Gäste am liebsten, "die ihre erste Rate im Januar, die zweite im August zahlen und dann überhaupt nicht kommen", sagte der Sipplinger bissig - und setzte noch eins drauf: "Hier gibt es keinen Bürgersinn - hier gibt es nur Eigensinn."