Bodensee-Therme Überlingen
Südkurier 30.06.2000
"Bessere Lösung und anderen Standort"
Verein "Bürgersinn" im Vorfeld des Bürgerentscheides zum geplanten Hallenbad auf dem Westbadgelände
Überlingen
(ub) Nicht als Nein-Sager gegen ein Thermalbad will sich der Verein "Bürgersinn" verstanden wissen, sondern als Ja-Sager zu einer besseren Lösung an einem anderen Standort und möglicherweise mit einem anderen Konzept. Dies betonte dessen Vorsitzender, Henning von Jagow, am Mittwochabend am Ende der ersten von einer Reihe vor dem Bürgerentscheid am 23. Juli noch geplanten Informationsveranstaltungen. Das jetzt geplante Bad habe so viele Nachteile, dass man nur hoffen könne, dass die Überlinger nein dazu sagen werden, erklärte er. Er unterbreitete im Verlaufe seiner Rede entsprechende Vorschläge, an welchem Standort das Hallenbad gebaut werden könnte.
Bei der Veranstaltung im Hotel "Traube" waren die Mitglieder des Vereins "Bürgersinn" unter sich. 36 Personen waren anwesend. In einem ersten öffentlichen Teil legte von Jagow die Standpunkte des Vereins noch einmal dar, im folgenden nichtöffentlichen Teil wurde Organisatorisches besprochen.
Jagow sprach von einem taktischen Überraschungscoup der Stadt, dass sie den Termin für den Bürgerentscheid für den 23. Juli statt im September festgesetzt hat, und machte der Verwaltung und dem Gemeinderat den Vorwurf, dass sie seit Planungsbeginn am Bürger vorbei regiert hätten. Der Vorschlag der LBU, eine Bürgerbefragung durchzuführen, sei von allen anderen Fraktionen schnöde abgelehnt worden. Mit den Argumenten der Kritiker habe man sich überhaupt nicht auseinandergesetzt. Erst mit der Gründung des Verein "Bürgersinns" sei eine Diskussion auf breiter Front aufgebrochen. Allein das wertete von Jagow schon als einen Erfolg.
Dass sich der Gemeinderat nun unter dem Druck des Vereins "Bürgersinn" zu einem Bürgerentscheid entschlossen habe, um dessen Herbeiführung über ein Bürgerbegehren zuvorzukommen, hat für von Jagow nichts mit Demokratie zu tun. Und noch weniger die Drohung, dass es nur die geplante Therme auf dem Westbadgelände gebe oder gar nichts. Von Jagow wertete dies als Erpressung. Doch auch für den Fall, dass die Stadt nach einer Ablehnung des geplanten Bades dann tatsächlich das Projekt "Thermalbad" fallen ließe, habe der Bürger wieder über das Instrument des Bürgerbegehrens die Möglichkeit, das Bad an anderer Stelle zu fordern. Überlingen habe viele attraktive Standorte dafür. Von Jagow dachte dabei an das Gebiet "Am Härlen" beim Krankenhaus, von dem man ebenfalls einen herrlichen Blick über den See habe, oder an das Graf'sche Gelände, für das es wahrscheinlich nur geschickter Verhandlungen bedürfe, um es jetzt schon ohne Abstandszahlungen zu bekommen. Denkbar für von Jagow wäre aber auch eine Aufteilung der Anlage in ein Schwimmbad in der Nähe des Schulzentrums und in ein Wellnessbad an anderer Stelle.
Gegen das Bad auf dem Westbadgelände spricht nach von Jagows Ansicht die Größe des Gebäudes. Das widerspreche dem Bodenseeleitbild aus dem Jahr 1994. Ein gewaltiger Nachteil an diesem Standort liege auch darin, dass hier keine Erweiterungsmöglichkeiten gegeben seien, es sei denn auf Kosten der Promenade oder des Rest-Westbades. Dieses falle jetzt schon zu 21 Prozent dem Gebäude zum Opfer. Nehme man noch den Schotterrasen dazu, der darum herum als Feuerwehrzufahrt angelegt werde, sei es ein sattes Drittel der Westbadfläche.
"Unter den vorgesehenen Grundstücksverkäufen befindet sich auch einiges Tafelsilber."
Henning von Jagow, Vorsitzender des Vereins "Bürgersinn"
Weiter bemängelte von Jagow das Sammelsurium von Anlagen, die in einem Bad von dieser Größe nicht unter einen Hut zu bringen seien. Man sehe das an dem immer noch ungelösten Problem des Sportbades für den Schulunterricht. Zudem sei das Verkehrschaos vorprogrammiert, wenn das Bad an diese Stelle komme, betonte von Jagow.
Kritik setzte er auch an der Finanzierung an. Zwar vermittle die Stadt den Eindruck einer sauberen Finanzierung, doch müsse man bedenken, dass bei den Kosten von insgesamt 38 Millionen Mark andere wichtige Maßnahmen auf der Strecke blieben. Dabei zweifelte von Jagow auch das der Rentabilitätsrechnung zu Grunde gelegten Besucheraufkommen von 300.000 Gästen pro Jahr an. Von Jagow verwies auch auf den zur Finanzierung vorgesehenen Grundstücksverkauf im Umfang von zehn Millionen Mark, worunter sich auch einiges an Tafelsilber befinde. Möglicherweise stünde sogar der "Faule Pelz" zur Disposition.
Aus der Runde der Versammelten kam die Anregung, die Argumentation gegen die Therme im Westbad noch um die Tatsache zu erweitern, dass ein Bad an anderer Stelle, wo man in einer unkomplizierteren Architektur bauen könne, um fünf Millionen Mark billiger errichtet werden könnte.