PPP: Pleiten, Pech und Pannen - Erlebnisbad Tabbs in Tabarz
Süddeutsche Zeitung 14. 08. 2002
Der Spaß wird zu teuer
Die Thüringer Gemeinde Tabarz kann Zins und Tilgung für ihr staatlich gefördertes Erlebnisbad nicht mehr aufbringen
Von Jens Schneider
Das Spaßbad "Tabbs" bietet durchaus außergewöhnliche Attraktionen. Viele Erlebnisbäder begnügen sich mit einer Wasserrutsche, in der kleinen Thüringer Gemeinde Tabarz nahe der Autobahn A 4 zwischen Gotha und Eisenach wird den Besuchern eine so genannte Großrutschenanlage geboten. Zur Auswahl stehen eine 115 Meter lange "Turborutsche" und die 60-Meter-Familienrutsche. Auch eine ausgedehnte Wellness-Anlage gehört zum Tabbs; die idyllische Kleingemeinde ist seit kurzem als Kneipp-Kurort staatlich anerkannt. Zudem loben regelmäßige Besucher eine Besonderheit: dass sie im Tabbs - anders als in vielen anderen Spaßbädern - nicht nur plantschen, sondern in einem Becken auch in Ruhe ihre Bahnen ziehen können. "Nein, das Bad ist schon sehr hübsch", räumt denn auch Matthias Klemm ein, der Bürgermeister der 4350-Seelen-Gemeinde. Trotzdem würde er in diesen Tagen viel darum geben, wenn dieses Bad vielleicht nie, zumindest aber um einiges kleiner gebaut worden wäre.
Denn das Spaßbad ist der Grund, dass das liebliche Tabarz am Fuße des Inselberges die am höchsten verschuldete Gemeinde im Landkreis Gotha ist. Bürgermeister Klemm weiß im Moment noch nicht, wie die Gemeinde den Berg von Schulden bewältigen soll, den das Bad Tag für Tag anhäuft. "Schlecht sieht es aus, sehr schlecht", sagt der Sozialdemokrat, der sein Amt vor zwei Jahren übernommen hat, als den Tabarzern schon längst der Spaß an ihrem Bad vergangen war. Weil die Krise sich seither verschärft hat, warnt der Bürgermeister nun: "Es ist fünf vor zwölf bei uns."
Der Fall Tabarz ist exemplarisch für eine dramatische Fehlentwicklung in den neuen Ländern. Offenbar am tatsächlichen Bedarf vorbei wurden in der vagen Hoffnung auf große Touristenströme seit 1990 Dutzende so genannter Spaß- und Erlebnisbäder errichtet, die ihre Betreiber nun oft an den Rand des Ruins bringen. Nicht selten verbindet sich mit den Projekten ein zweifelhafter Umgang mit Steuergeldern: Nur die Aussicht auf eine manchmal fast komplette Finanzierung des Projekts aus Mitteln der Tourismusförderung hat viele Gemeinderäte und Bürgermeister verlockt, sich eine dieser gigantischen Plantschburgen zuzulegen. Tourismusexperten sprechen längst von einer teilweise deutlichen Überversorgung, mehrere Hundert Millionen Euro an Fördermitteln wurden gezahlt.
In Tabarz haben die Landesregierung und die kleine Gemeinde erst vor fünf Jahren stolz die Eröffnung des Tabbs-Bades gefeiert. 43,5 Millionen Mark (22,2 Millionen Euro) hat der Bau des Bads nach Auskunft des Bürgermeisters gekostet. Die Gemeinde erhielt vom Land eine großzügige Förderung von 22 Millionen Mark (11,25 Millionen Euro). 800 Besucher müssten täglich kommen, damit Zins und Tilgung bezahlt werden könnten. "Zwei Jahre lang klappte das recht gut, dann wurde es plötzlich schwieriger", sagt der Bürgermeister. Die Hauptursache des Besucherrückgangs sieht er in der gewachsenen Konkurrenz. Im weiteren Einzugsbereich des Tabbs eröffneten nach und nach weitere Spaßbäder, die zum Teil ebenfalls vom Land gefördert worden waren. Dabei sei den Tabarzern noch zur Eröffnung ihres Bades von der Regierung versichert worden, dass im Umkreis von 50Kilometern kein weiteres Spaßbad gefördert wird. Schon vergangenes Jahr haben jeden Monat 55000 der für den Kapitaldienst benötigten 70000 Euro gefehlt. Weil sich die Situation seither nicht gebessert hat, steht der Bürgermeister vor der Notlage, "dass ich nicht weiß, wie ich den nächsten Kapitaldienst leisten soll".
Nicht nur Klemm sieht als Hauptursache die Bäderpolitik des Landes. Von einer "katastrophalen Folge einer verfehlten Landespolitik" spricht die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD-Landtagsfraktion in Thüringen, Birgit Pelke. Frühzeitige Warnungen der Opposition habe Wirtschaftsminister Franz Schuster (CDU) "in den Wind geschlagen" und acht Erlebnisbäder in Thüringen gefördert. Der Fraktionschef der Thüringer PDS, Bodo Ramelow, beklagt "planlose, völlig überzogene Förderungen bar jeder wirtschaftlichen Vernunft" für Thüringer Spaßbäder. "Die meisten stehen nun vor dem Exitus", sagt er. Für die Bürgermeister der kleinen Gemeinden sei es eben allzu verlockend gewesen, dass ihnen enorme Fördergelder angeboten wurden. Das Wirtschaftsministerium schiebt die Verantwortung dagegen den Kommunen zu. Die Bäder seien auf deren Wunsch entstanden, sagt Sprecher Andreas Maruschke, und ihnen nicht aufgedrängt worden. Das Dilemma der Bäder liege zudem nicht allein an der zunehmenden Konkurrenz.Die Gemeinden hätten auch Fehler bei der Vermarktung gemacht.
Bürgermeister Klemm hat der Gemeinde Tabarz einen harten Sparkurs verordnet. "Wir versuchen auch, das Potenzial der Kurgesellschaft durch eine neue Leitung noch mehr auszuschöpfen", sagt er. Doch bei allen Mühen werde die Gemeinde ohne Hilfe vom Land den Kapitaldienst nicht leisten können. "Das Unsinnigste wäre, wenn das Bad zumacht", sagt der Bürgermeister - die Schulden wären dann ja nicht aus der Welt