Ferienresorts, Erlebnisbäder, Einkaufszentren - eine Millionen-Abzocke?

Erlebnisbad Käpt'n Nemo in Seiffen

Presse Erlebnisbad Käpt'n Nemo Seiffen


Freie Presse Online 24.11.1999

CHEMNITZ/SEIFFEN: Seiffen gewinnt Zivilstreit vor dem Landgericht

Nachtragsrechnungen für Spaßbad in Millionenhöhe sind vorerst nicht zu bezahlen

(GT). Die Gemeinde Seiffen hat am Mittwoch vor dem Chemnitzer Landgericht zumindest einen Teilerfolg errungen. Nach einer Entscheidung der Behörde muss die Kommune vorerst nicht die geforderten 3,3 Millionen Mark an die Wohnungsbau- und Sanierungs GmbH Chemnitz (WBS) nachzahlen, die der Firma nach eigenen Angaben durch zusätzliche Kosten beim Bau des Hauses des Gastes und des Erlebnisbades zwischen 1995 und 1998 entstanden sind.

Seiffen hatte im August 1995 mit der WBS GmbH ohne eine europaweite öffentliche Ausschreibung einen Generalübernahmevertrag abgeschlossen, wonach sich das Unternehmen verpflichtete, den lukrativen Freizeitkomplex für einen Pauschalbetrag in Höhe von 29,7 Millionen Mark schlüsselfertig zu errichten. An einen viel günstigeren Bieter, der daraufhin klagte, zahlte die Gemeinde lieber 85.000 Mark Schadenersatz. In den drei Jahren Bauzeit war aber nicht nur die Mehrwertsteuer angehoben worden, sondern sollen der WBS auch jede Menge zusätzliche, vorher nicht absehbare Kosten entstanden sein. Aus diesem Grund, so die klagende Firma, soll mit Bürgermeister Johannes Glöckner eine Reihe von Nachträgen vereinbart worden sein, allein elf zum Haus des Gastes. In einer Schlussrechnung forderte das Unternehmen im Januar dieses Jahres noch rund 3,3 Millionen Mark, die die Gemeinde nicht bezahlen wollte und konnte.

Dass sich das Gericht am Mittwoch mit seiner Entscheidung auf die Seite des Spielzeugdorfes schlug, begründete Richter Lutz Hasselmann so: "Wir haben gegen die Schlussrechnung erhebliche Bedenken, denn sie ist nicht prüffähig." Vor allem der erhebliche Anteil zusätzlicher Baunebenkosten sei nicht nachvollziehbar, von zahlreichen Rechenfehlern einmal abgesehen. Schon Bürgermeister Glöckner hatte diese Schlussrechnung an die WBS zurückgeschickt, weil er nicht erkennen konnte, wie sie sich zusammensetzte. Eine Nachprüfung war nie erfolgt. Trotz gerichtlicher Anordnung war Glöckner am Mittwoch nicht persönlich vor Gericht erschienen.

Für Rechtsanwalt Leonhard Pössl, der die Interessen des Spielzeugdorfs vertritt, gab es noch einen anderen strittigen Punkt. Für ihn sind fast alle nachträglich abgeschlossenen Verträge unwirksam, denn sie tragen zwar formal die Unterschrift des Bürgermeisters, nicht aber dessen Amtsbezeichnung und auch nicht das Amtssiegel. Einige angeblich mündlich abgeschlossene Vereinbarungen seien sowieso unwirksam, begründete Pössl vor Gericht seinen ablehnenden Antrag gegenüber den Forderungen der WBS.

Deren Geschäftsführer, Joachim Betz, kündigte gegenüber "Freie Presse" an, in nächster Instanz, vor dem Oberlandesgericht Dresden, in Berufung zu gehen. Während Betz am Mittwoch zugleich davon sprach, er habe seine in der Straße der Nationen 25 sitzende Firma unter anderem wegen der enormen Außenstände von zehn auf zwei Mitarbeiter reduzieren müssen, gibt es unter besagter Adresse gar keine WBS GmbH mehr. Auch telefonisch ist sie nicht mehr eingetragen. Eine Nachfrage beim Amtsgericht ergab lediglich, dass sie dort noch im Handelsregister existiert. Ob sich damit ein in Seiffen kursierendes Gerücht bestätigen wird, dass die Firma möglicherweise nicht "sauber" sei, bleibt vorläufig offen.

Einer ihrer zahlreichen Subunternehmer, der ebenfalls noch auf 13.500 Mark wartet, saß am Mittwoch als interessierter Zuhörer mit in der Verhandlung: Hilmar Stemmler, Geschäftsführer der Pockauer Möbel GmbH. Der Betrieb hatte für das Erlebnisbad etliche Spezialmöbel gefertigt, aber das Geld dafür nicht bekommen. Da die Gemeinde selbst bei Stemmler bestellte, meinte die WBS, nun nicht in der Zahlungspflicht zu sein. Wie dem Firmenchef versichert wurde, wird er sein Geld deshalb in den nächsten Tagen von der Gemeinde bekommen.

Das im September eröffnete Ermittlungsverfahren gegen Bürgermeister Glöckner und eine ehemalige Mitarbeiterin des Regierungspräsidiums Chemnitz kann sich unterdessen vielleicht noch bis nächsten Sommer hinziehen. Erst nach gründlicher Sichtung aller beschlagnahmten Unterlagen wird klar sein, ob die Staatsanwaltschaft Anklage wegen Untreue und Betrugs erheben wird. In Zusammenhang mit den offenen Forderungen der WBS und dem zweifelhaften Umgang mit Fördermitteln in der Gemeinde war überhaupt herausgekommen, dass es erhebliche Ungereimtheiten gab. Weil zum Beispiel die ursprünglich geplanten Außenbecken gar nicht gebaut wurden, hätte die Gemeinde wohl eher Geld zurückbekommen müssen. Statt dessen verlangte die Baufirma mehr..


Presseübersicht Spaßbad Seiffen