PPP: Pleiten, Pech und Pannen
Kölner Stadtanzeiger 16.07.2000
Freizeitbäder boomen
Wenn Kommunen baden gehen
Gemeinden graben einander das Wasser ab
Von Evelyn Binder
Köln - Die letzten Tage des durchgefliesten Hallen-Rechtecks sind gezählt. Wer heute noch Besucher anlocken möchte, der muss schon etwas mehr bieten als Drei-Meter-Brett und Planschbecken. Bunte Wasserrutschen und -kanonen, Wasserfälle, Sauna und Wellenbäder fordert das immer anspruchsvoller werdende Publikum. Und gut aussehen soll's außerdem: möglichst nach Karibik, auf jeden Fall aber nach Urlaub. Viele Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen haben das längst erkannt: In den vergangenen Jahren sind allerorten städtische Wasserparadiese wie Pilze aus dem Boden geschossen.
Und gerade das ist das Problem: Es gibt einfach zu viele Bäder in der Region. Ohne jährliche Finanzspritzen aus den städtischen Haushalten könnten viele nicht überleben: Kaum ein Betrieb arbeitet kostendeckend. "Das sind fast alles Zuschussbetriebe", sagt Jürgen Lemmer vom Deutschen Städtetag.
Finanzielles Desaster
Das Grundproblem: Jede Kommune möchte gerne ihr eigenes Süppchen kochen, jeder noch so kleine Ort ein eigenes Erlebnisbad haben. In der Hoffnung, dass die Massen schon kommen werden, wenn die neue Attraktion erst eröffnet ist, haben sich viele Kommunen ins finanzielle Desaster gestürzt. Alte Bäder wurden - zwar auch mit kräftiger Unterstützung des Landes - zu Erlebnislandschaften umgebaut, doch der ersehnte anhaltende Besucherstrom blieb bei vielen aus, nachdem der Reiz des Neuen erst einmal weg war.
Ein Blick ins Umland: Die Stadt Radevormwald eröffnete 1990 das 12 Millionen DM teure Freizeitbad "Aquafun". Dabei hatte erst ein Jahr zuvor die nur wenige Kilometer entfernte Stadt Remscheid das Bad "H2O" in Betrieb genommen. In Kürten entstand 1996 das 15 Millionen DM teure Splash-Bad, in Leverkusen 1998 das 20 Millionen DM teure CaLevornia. Letzteres läuft den Betreibern zufolge zwar "prächtig", ist aber dennoch auf jährlich zwei Millionen DM an Zuschüssen angewiesen. Seit kurzem kann man im "Mediterana" in Bensberg planschen - und in Köln selbst gibt es natürlich auch noch die privaten Bäder Aqualand und Claudius-Thermen. "Hier gräbt einer dem anderen das Wasser ab", sagt Friedrich Kunze, Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für das Badewesen.
Als besonders krasses Negativ-Beispiel nennt Kunze die Stadt Ahlen im Münsterland. Die nämlich modernisierte ihr Freizeitbad Berliner Park für 18 Millionen DM, und verdreifachte danach die Besucherzahlen auf 220 000. Dennoch: "Die Investitionen", so Kunze, "können die nie mehr hereinholen." Anders als die privaten Investoren, die schließlich auch irgendwann einmal Gewinn machen wollen, kalkulieren die kommunalen Betriebe von Anfang an hohe Verluste ein. Und das macht aus Sicht der Kommunen durchaus Sinn: Sie argumentieren mit ihrem öffentlichen Auftrag. Schließlich müssen sie dafür sorgen, dass es vor Ort genügend Schwimmmöglichkeiten für Schulen, Vereine und nicht organisierte Schwimmfreunde gibt - zu bezahlbaren Preisen.
Besonders schlecht stünden nun die Badeparadiese im Osten der Republik da, die "nach der Wende mit teilweise bis zu 90-prozentiger Förderung durch das Land entstanden", sagt Roman Schramm, Geschäftsführer der European Waterpark Association, in der 60 der rund 100 deutschen Erlebnisbäder organisiert sind. Die Kommunen hätten die finanzielle Förderung natürlich zunächst dankend angenommen - doch auf den immensen Folgekosten blieben sie nun sitzen. Das Interesse der Bevölkerung sei anfangs groß gewesen, doch schon nach zwei Jahren ging die Zahl der Besucher um 20 bis 30 Prozent zurück.
Warum? "Der deutsche Badegast", so Kunze, "will im Schnitt nicht häufiger als drei Mal im Jahr ins normale Schwimmbad und höchstens fünf Mal ins Spaß- oder Freizeitbad." Daran änderten auch neue Badelandschaften nichts. Kunze: "Die Besucherströme verlagern sich allenfalls, in der Summe aber kommen nicht mehr Gäste."
Verzweiflungstat
Die Bauwut der Kommunen sieht Kunze als Verzweiflungstat: "Sobald die Nachbargemeinde was Besseres hat, will jeder aufrüsten", sagt Kunze. "Dies erklärt den derzeitigen Boom." Doch die Modernisierungen könnten allenfalls eines bewirken: die alten Kunden zu halten. Die Chance, neue Besuchergruppen anzuziehen, sei bei so vielen Mitbewerbern gering.
Auch das Land NRW meint mittlerweile offenbar, dass es allmählich genug ist: "Wir sehen keinen Bedarf mehr für neue Freizeitbäder", sagt Fachreferentin Annemarie Erlenwein vom NRW-Bau-und Sportministerium. "Und deshalb fördern wir so etwas auch nicht mehr." Modernisierungen unterstütze das Land freilich weiterhin - 1999 immerhin mit 5,3 Millionen DM. 1998 waren es noch elf Millionen DM. Private Investoren erhielten ohnehin keine Förderung, allenfalls im Einzelfall, wenn es um den touristischen Bereich gehe.
Die Lage könnte sich entschärfen, wenn sich die Kommunen bereit erklärten, ihre Aktivitäten besser zu koordinieren - was sowohl die EWA als auch die Deutsche Gesellschaft für das Badewesen schon lange fordern. "Die eine Gemeinde könnte sich etwa auf den sportlichen Bereich konzentrieren, die andere auf den Spaßfaktor", so Schramm.
Übrigens: Für den Fall, dass irgendwann nichts mehr zu retten ist im städtischen Bad, haben einige Städte und Gemeinden bereits innovative Modelle für eine anderweitige Nutzung der Becken verwirklicht. Die Stadt Bergkamen etwa hat ihr Freibad mit Sand aufgefüllt. Das Ganze nennt sie nun "Beachvolleyball-Anlage".