PPP: Pleiten, Pech und Pannen
Süddeutsche Zeitung 14.08.2002
"Das Geld musste raus"
Wenn Bund oder Land Fördermillionen anbieten, sagt kein Bürgermeister Nein
Zu wenig Kontrolle über den Einsatz staatlicher Subventionen
Die Geschichte von der Entstehung der vielen Spaßbäder wird im sächsischen Wirtschaftsministerium zu Dresden heute rückblickend mit einer Art schaurigem Grusel erzählt. Es war die Zeit kurz nach der Wende. Die Industrie in Sachsen war fast vollständig zusammengebrochen, es gab vor allem für entlegenere Regionen wie dem Erzgebirge kaum ernst zu nehmende Investoren. Aber staatliche Fördergelder flossen in Millionenhöhe, und im kleinen neuen Dresdner Wirtschaftsministerium gab es kaum qualifizierte Mitarbeiter, die für einen sinnvollen Einsatz der Mittel hätten sorgen können. "Das Geld musste aber raus", erinnert man sich an die damalige Situation.
Aus Mangel an Alternativen sei man auf die Idee verfallen, den Tourismus durch "saisonverlängernde Maßnahmen" zu fördern, erklärt der heutige Sprecher des Ministeriums, Burkhard Zscheischler. Saisonverlängernde Maßnahmen? Das bedeutete, dass "Spaßbäder" kleinen Ferienorten auch bei schlechtem Wetter Besucher bringen sollten. "Da ist also jemand aus dem Ministerium quasi mit dem Koffer voll Geld über Land gezogen", blickt Zscheischler zurück, "und hat die Bürgermeister schlicht besoffen geredet, sodass ohne touristische Planungen eng nebeneinander solche Bäder entstanden. Bei 90 Prozent Förderung durchs Land konnte doch kein Bürgermeister Nein sagen. Der wäre von seinen Leuten verprügelt worden." Zscheischlers Fazit: "Deswegen gibt es heute eine zu hohe Zahl von Spaßbädern, von denen es den meisten nicht blendend geht."
Hoch verärgert bremste 1996 der damalige Finanzminister und heutige Ministerpräsident von Sachsen die Spaßbad-Manie. Die Förderung wurde eingestellt, heute kümmert sich regelmäßig eine Arbeitsgruppe aus verschiedenen Ministerien um die Nöte der Kommunen.
Das Problem der Spaßbäder reiht sich freilich in eine ganze Liste von dramatischen Beispielen für Planungsmängel beim Aufbau Ost, die zu Fehlausgaben geführt haben und heute viele Kommunen belasten. Nun plagen sich Großstädte mit dem Leerstand von massiv geförderten Wohn- und Geschäftsimmobilien. Mit dem Bau von überdimensionierten und damit unrentablen Abwasseranlagen haben sich im Osten viele Gemeinden Schulden aufgeladen. Über ungenutzte, aber anspruchsvoll ausgebaute Gewerbegebiete wächst schon wieder hohes Gras - "beleuchtete Schafswiesen" werden sie von Spöttern unter den Wirtschaftspolitikern genannt.
Über das Ausmaß der staatlich geförderten Fehlinvestitionen kann freilich kaum jemand Angaben machen. "Es hat gewiss Fehlleitungen gegeben", stellt Professor Martin Rosenfeld, Regionalexperte des Instituts für Wirtschaftsforschung in Halle (IWH), fest. Er nennt als ein krasses Beispiel die Häfen in Sachsen-Anhalt. Bei einer Studie über Sachsen-Anhalt sei ihm zunächst positiv aufgefallen, dass das Land über eine beachtliche Zahl hochmoderner Häfen an Elbe und Saale verfügt. Doch an den Kais legen kaum Schiffe an. Denn für die teuer ausgebauten Häfen an der Elbe fehle es bisher an Wirtschaftsverkehr auf dem Fluss. "Fast ein Schildbürgerstreich" sei die Situation am Hafen von Halle mit modernen Kaianlagen und Gewerbeflächen, für die es kaum Nutzer gebe. "Denn man hat es versäumt, gleichzeitig die Saale entsprechend auszubauen", sagt IWH-Experte Rosenfeld.
Als Ursache für solche Entwicklungen sieht auch er ein klassisches Dilemma staatlicher Förderungen: Offenbar hätten die Fachressorts der Landesregierung das Geld eben zur Verfügung gehabt, und lokale Politiker hätten es dann stets schwer, die Landesmittel abzulehnen. Auch im Fall ungenutzter Gewerbegebiete oder zu großer Klärwerke vermutet Rosenfeld die Ursache im System der Mittelvergabe. Wenn die Förderung zweckgebunden aus Töpfen der EU, des Bundes oder des Landes komme, setzten die Kommunen sie eben entsprechend ein, "auch falls sie das vielleicht nicht getan hätten, wenn sie selbst den Einsatz verantworten müssten", so Rosenfeld. Der Fachmann für Regionalforschung sieht eine mögliche Lösung in der Änderung der Strukturen. "Die Kommunen müssten selbst verantwortlicher handeln können", so Rosenfeld, "gleichzeitig bedarf es einer Lenkung durch das Land." So könnten die Kommunen etwa dazu verpflichtet werden, über die Verwendung ihrer Mittel und die erreichten Effekte regelmäßige Rechenschaftsberichte vorzulegen.
Ohne entsprechende Reformen besteht nach seiner Einschätzung auch im Rahmen zukünftiger Förderprogramme - wie sie jetzt etwa von der Hartz- Kommission vorgeschlagen werden - "die ernste Gefahr einer weiteren Mittelverschwendung - zu Lasten des Aufbaus Ost".
Jens Schneider