Ferienresorts, Erlebnisbäder, Einkaufszentren - eine Millionen-Abzocke?

PPP: Pleiten, Pech und Pannen

Ostsee-Zeitung 07.07.2000

Fährt ein Multicar Tempo 400?

Landesrechnungshof deckt dubiose Abrechnungen von Ämtern auf

Die Finanzämter in M-V erheben Steuern "mies", Urlaubsorte verzichten auf Geld und Unis lagern neue Geräte jahrelang im Keller. In Ämtern wird oft rechtswidrig und sinnlos gehandelt.

Schwerin (OZ) Wenn Uwe Tanneberg einmal im Jahr seine berüchtigte süß-saure Miene aufsetzt, weiß man in nordöstlichen Amtsstuben, was die Stunde geschlagen hat. Der Präsident des Landesrechnungshofes rechnet ab. Zwei Bände umfasst der Jahresbericht 2000. Insgesamt 435 Seiten ergeben einen denkwürdigen Lagebericht aus Ämtern und Behörden in M-V.

Die Hansestadt Greifswald beschaffte sich 1997 ein neues Tanklöschfahrzeug. In der Ausschreibung verzichtete sie auf eine Leistungsbeschreibung. Ein Vergleich der zwölf Angebote war so unmöglich. Sie unterschieden sich um bis zu 120 000 Mark. Greifswald entschied sich für das teuerste Fahrzeug. Kosten: 309 000 Mark.

Die Stadt Güstrow baut ein Spaßbad für 28 Millionen Mark. Obwohl es erhebliche Zweifel an der Gesamtfinanzierung mit Risiken für die kommunalen Stadtwerke gebe, so der Rechnungshof, fördert das Schweriner Wirtschaftsministerium das Projekt. Auch die Rentabilität sei fraglich. Es interessiert nicht. Tanneberg findet die Spaßbad-Manie im Land kaum spaßig. Wenn sich alle derzeitigen Planungen rechnen sollen, "müssen alle 1,7 Millionen Einwohner täglich da irgendwo baden gehen."

Die 24 Straßenmeistereien im Land können von Rekorden erzählen. Laut Fahrtunterlagen fuhr in Waren ein Einsatzfahzeug 16 000 Kilometer, war aber gar nicht im Einsatz. Den Vogel schoss aber ein Multicar der Demminer Kollegen ab: Laut Papieren fuhr er in 5,5 Stunden 2378 Kilometer. Das entspricht Tempo 432. Sensationell dabei der Verbrauch: 1,79 Liter.

Auch ansonsten sind die Straßenwärter Spitze. Sie fahren nicht nur 51 Fahrzeuge zu viel, sondern sie vergeben auch Aufträge im Lieferumfang von 21 Millionen Mark freihändig. Der Clou dabei: Ein einziger Sachbearbeiter des Landesamtes für Straßenbau und Verkehr stellt Beschaffungsanträge, legt Vergabeart und Bieterkreis fest, fertigt Aufforderungen zur Angebotsabgabe, sitzt selbst in der Vergabekommission, protokolliert die Vergabe und bereitet die Auftragserteilung vor. Ein echtes Multitalent, aus dem sicher noch mehr raus zu holen ist.

Das Greifswalder Universitätsklinikum kaufte 1995 für 149 000 Mark eine gebrauchte Röntgenanlage. Sie wurde in den Keller gestellt und tauchte zwei Jahre später wieder auf. In Betrieb ging die Anlage, nach dem 1997 Zubehör für 207 000 Mark angeschafft worden war. Natürlich ohne Ausschreibung.

Ebenfalls in Greifswald beantragte der Uni-Pflegedienst die Anschaffung von 25 Betten. Wert: 100 000 Mark. Später wurde vor die 25 eine eins gemalt. So stieg die benötigte Bettenzahl und damit das Auftragsvolumen auf wundersame Weise um das Fünffache. Wer spricht hier noch von Planung?

Dierhagen auf dem Fischland verzichtet auf Einnahmen durch Verkäufe von 187 ehemals volkseigenen Grundstücken in den Jahren 1990 bis 1996. Der Rechnungshof spricht von einer Summe von 1,4 Millionen Mark. Er empfiehlt Dierhagen Nachverhandlungen und die Prüfung von Schadenersatzansprüchen.

Der Bürger staunt über die ansonsten gefürchteten Finanzämter. Unternehmer können davon ausgehen, dass ihr möglicher Vorsteuerabzug von der zu entrichtenden Umsatzsteuer nur im Ausnahmefall geprüft wird. Selbst wenn sich die Firmen weigern, Nachweise vorzulegen, zahlen die Finanzämter aus, stellten die Rechnungsprüfer fest. Grund: Es fehlt Personal.

In einem Staatlichen Amt für Umwelt und Natur schanzten sich zwei Mitarbeiter ausgerechnet durchs Autofahren mehr Geld zu. Einer steckte 2800 Mark für die Nutzung seines privaten Pkw ein, obwohl der gar nicht für dienstliche Zwecke zugelassen war und ein Dienstwagen zur Verfügung stand. Ein anderer verband Dienstgänge mit Heimfahrten und rechnete dies munter ab. Im Amt störte das offenbar niemanden.

"Es muss besser werden - vom Minister bis zum letzten Beamten", fordert Tanneberg. Hoffnung hat der Chef des Rechnungshofs wohl kaum. Den Kampf Recht und Gesetz gegen amtlichen Eigensinn vergleicht Tanneberg mit Asterix' Sieg über Caesar. Vor Ort denken sie: Die spinnen, die Römer. "Wir sind hier in Gallien."

THORALF CLEVEN