Flensburg: Trigon / C + T Development Südermarkt-Passage (Flensburg-Galerie)
Quelle: Flensburger Tageblatt 23.12.2004
Kehraus am Südermarkt: Existenzen am Scheideweg
Abriss, Entmietung - die Südermarkt-Passage produziert Opfer und Gewinner / Das Geschäftsterben beginnt
Flensburg
ho
Zwischen Angelburger Straße und Süderhofenden ist mit den Baggern die Kehrausstimmung eingezogen. Die ersten Häuser sind gefallen - und es werden nicht die letzten sein. Bei den betroffenen gewerblichen Mietern setzt jetzt das große Stühlerücken ein.
Lampen-Haase ist nicht mehr. Jedenfalls nicht mehr dort, wo Volker von Heyen den Nachbarn während der letzten 32 Jahre im Blick hatte. Wo der Leuchten-Speicher stand, gibt's nur noch Schutt und Trümmer. Und auch von Heyens Quartier wird in absehbarer Zeit pulverisiert sein. Schade eigentlich, denn von Heyen hatte gehofft, mit dem Dentallabor im Hinterhaus Angelburger Straße 17 seinen Lebensabend zu erwirtschaften. Ein junger Kompagnon war gefunden, die Pläne gemacht. Dann kam die Passage und mit ihr die Gewissheit, dass hier in der Angelburger Straße 17 nichts mehr von Dauer sein würde. Hier soll die südliche Eingangsschneise fürs Einkaufszentrum geschlagen werden, keine Perspektive für ein gemeinsames Unternehmen. Der Kompagnon ging, die Mitarbeiter gingen mit - jetzt ist von Heyen (60) Einzelkämpfer in einer Mondlandschaft. "Ich bin seit 1973 hier an diesem Standort", sagt er. "Klar geht mir das nahe nach über 30 Jahren. Ich warte hier nur noch auf das Ende."
Von Heyen ist im Quartier einer der letzten, die gehen. Das Haus wird erst im Frühjahr abgerissen - so lange kann er noch bleiben. "Zum Aufhören ist es zu früh. Ich werde mich in einem anderen Dentallabor einquartieren", sagt er. Aber ideal ist diese Lösung nicht. Gewiss, man hat sich mit dem Investor verständigt, es gab einen gewissen Ausgleich - aber zum Ruhestand reicht das lange nicht.
Im Vorderhaus geht eine traurige Geschichte auf die Zielgerade. Dort hat die Familie el Ammar aus Leck Anfang des Jahres mit der Pizza Milano den Sprung in die Selbstständigkeit gewagt und auf dünnem Eis gebaut. Der Laden läuft gut, aber er läuft nicht mehr lange. Das Haus wird abgerissen, auch die el Ammars sind der Schneise im Weg. Im Februar geht Mohammed el Ammar wohl wieder in die Arbeitslosigkeit zurück - mit einem Haufen Schulden am Hals. 50 000 Euro, so hoch beziffert das Familienoberhaupt die Verbindlichkeiten, die vor allen Dingen durch die Forderung der Stadt nach dem Einbau einer neuen Lüftungsanlage entstanden. Alles schön und gut, sagt el Ammar, aber niemand, wirklich niemand habe ihn damals darauf aufmerksam gemacht, dass hier eine Passage gebaut werden soll. In moslemischen Kreisen wird das Baugeschehen in Flensburg ohnehin nicht so aufmerksam verfolgt - in Leck schon gar nicht. Der Investor sieht sich nicht in der Pflicht, el Ammar führt einen Rechtsstreit gegen seinen Vermieter. Der Investor wollte ihn gerne für das neue Einkaufszentrum begeistern, aber el Ammar hat abgewunken. "8000 Euro Monatsmiete für ein winziges Lokal. Viel zu teuer! "
Über Monate spielte er das Zünglein an der Waage. Das Steinbach-Haus war für die Passagengegner der letzte Anker, der die Altstadt so zusammen hielt, wie sie mal war. Dann knickte Steinbach ein und ist nach dem Verkauf selbst heimatlos. "Am 31. Januar ist Schluss", sagt Hans-Werner Steinbach. "Dann müssen wir raus." Was wird, weiß er noch nicht. Den Angestellten ist gekündigt, ob's einen neuen Laden gibt, ist ebenso ungewiss wie die Frage, ober er in der neuen Passage vertreten sein wird. "Ziemlich teuer", findet er die Mieten dort. Gerade für die kleineren Läden wird es schwer werden, glaubt Steinbach. "Mit Sicherheit wird es dort reichlich Fluktuation geben."
Sein ehemaliger Mieter bleibt im gelben Haus. Noch kurz vor dem Verkauf hat Peter Thaysen den Mietvertrag mit Steinbach verlängert. "Wir bleiben drin. Für unsere Kunden ändert sich die nächsten Jahre nichts", sagt der Grundhofer Vollkornbäcker. Der neue Vermieter soll über die Situation alles andere als beglückt sein. Jetzt hat er eine Bäckerei auf der Riesenbaustelle und vertragliche Pflichten als Vermieter. Mietrecht vor Kaufrecht, so lautet der alte Grundsatz, aber nach all dem Ärger um gerade dieses Haus machen die Berliner erst einmal gute Miene zum bösen Spiel. Thaysen: "Trigon hat den Vertrag anerkannt."
Fahrrad-Mayer räumt das Feld. Nicht glücklich über den erzwungenen Wechsel, wie Inhaber Holzbach einräumt, aber zuversichtlich, an anderer Stelle zu wachsen. Der Auszugstermin stehe noch nicht fest, sagt Holzbach. Das neue Quartier hingegen sein mit einiger Sicherheit gefunden: Die seit zwei Jahren leer stehende Kayser-Filiale in der Großen Straße.
Lampen-Haase wohnt jetzt gegenüber. Angelburger Straße 22, dieses Mal Vorderhaus. Dieses Mal eine Geschichte mit Happy End, denn Georg Haase ist (fast) wunschlos glücklich. Der unter Denkmalsschutz stehende Speicher nämlich, in dem Haases Leuchten- und Schirmatelier 30 Jahre lang residierte, war baufällig. "Der war sanierungsbedürftig. Für mich ging es ohnehin um die Frage Aufhören oder Umziehen." Er hat den Sprung über die Straße gewagt. Im Gegensatz zu seinem Ex-Nachbarn von Heyen hat er einen Nachfolger gefunden, der das Geschäft übernimmt.